Ich bin ein Bahnsteigromantiker!
I am a platform romantic!
Zugreisen, 2011 - 2018
Bilder von Zugreisen ziehen sich als roter Faden durch mein Archiv, denn das Reisen auf Schienen gibt mir die Erlaubnis, den Film neu einzulegen und von vorne zu beginnen. Alles zu sehen und kein Urteil zu fällen, weiterzufahren, Kilometer hinter mich zu bringen, an die Schönheit und Grenzenlosigkeit der Welt zu glauben. Meine Bahnsteigfotografien sind zwischen den Jahren 2011 und 2018 in Kasachstan, Rumänien, Deutschland, Österreich, Kirgisistan, Russland, Serbien, Griechenland und China entstanden.
Train journeys, 2011 - 2018
Images of train travel are a common thread throughout my archive, because traveling on rails gives me permission to reload the film and start over. To see everything and not pass judgment, to keep riding, putting kilometers behind me, to believe in the beauty and boundlessness of the world. My platform photographs were taken between the years of 2011 and 2018 in Kazakhstan, Romania, Germany, Austria, Kyrgyzstan, Russia, Serbia, Greece and China.
Mit 19 ist die Schule aus, ich sitze in der Transsibirischen Eisenbahn und schreibe in mein Tagebuch:
'Der dritte Tag im Zug. Ich habe das Gefühl, dass konkrete Gedanken genauso wie die Landschaft am Fenster vorbei einfach durch meinen Kopf hindurchziehen, ohne dass ich sie fassen könnte. Vielleicht habe ich mit etwas anderem gerechnet. Exotik an allen Bahnhöfen. Verrückte Bekanntschaften. Aber nein… die Entdeckung der Fahrt ist der erholsame Zustand, den ich als fast linear bezeichnen würde. Wenn ich aus dem Fenster sehe, blicke ich natürlich auf Dinge, die ich noch nie gesehen habe. Doch solange noch diese Zugscheibe zwischen mir und der Außenwelt ist, kommen die Dinge nicht in meinem Innersten an. Die Natur ist eigentlich wie man sich Sibirien vorstellt: Birkenwälder, Wiesenflächen. Die einzigen Eckpfeiler des Tages sind Essen, Teetrinken, aufs Klo gehen. Sehnsucht und dünne Zeit. Die näheste Annäherung an einen sehnsuchtsfreien Zustand. Vielleicht ist es das, die dünne Zeit. Ich kenne es von den früheren Reisen, dass ich meistens im Zustand des Fahrens am frohesten war. Schon als Kind hatte ich immer ein bisschen Angst vor dem Ankommen.’
At the age of 19, school is over and I sit on the Trans-Siberian Railway and write in my diary:
'The third day on the train. I have the feeling that concrete thoughts simply pass through my head like the landscape passes the window, without me being able to grasp them. Maybe I was expecting something else. Exoticism at all stations. Crazy acquaintances. But no...the discovery of the ride is the restful state that I would describe as almost linear. When I look out the window, sure, I look at things I've never seen before. But as long as there is still this pane of glass window between me and the outside world, things do not reach my innermost being. The nature is actually like one imagines Siberia to be: birch forests, grassy plains. The only cornerstones of the day are eating, drinking tea, going to the bathroom. Nostalgia and thin time. The closest approximation to a longing-free state. Maybe that's what it is: thin time. I know it from previous travels; that I was usually happiest in the state of riding. Even as a child, I was always a little afraid of arriving.'