Über Viehofen, Fotografien & Film, Ausstellung im Stadtmuseum St. Pölten, 2022
About Viehofen (a district in the city of St. Pölten), Photographs & Film, exhibition at the City Museum of St. Pölten, 2022
Überhaupt kein Lärm
„Kreis‘ Stärke liegt im Erzählen von Geschichten, die in der Geschichtsschreibung keinen Platz finden.
Es sind zutiefst persönliche Geschichten aus der Mitte der Gesellschaft.“
No Commotion at All
"Kreis's strength lies in telling stories that have no place in the historical record. They are deeply personal stories from the heart of society."
Das alte Herrenhaus neben der Spitzenfabrik
„Mit dem Haus verbinde ich in erster Linie große Freiheit. Meine Mutter hat zehn Kinder mit fünf Männern. Das war für mich als Kind ganz arg. Ich kenne sie als Hausfrau, da ist sie mit der Kleiderschürze herumgelaufen und mit Lockenwickler. Andererseits hat sie Seidenkleider getragen, Plateau-High-Heels, Wasserstoff blonde Haare gehabt, knallroten Lippenstift - eh so ein bisschen wie ich jetzt (lacht) - und ja, sie hat gelebt, wie es ihr gerade gepasst hat.“ - Larissa ist im alten Herrenhaus in Viehofen aufgewachsen.
The old mansion next to the lace factory
"First and foremost, I associate great freedom with the house. My mother has ten children with five men. That was very extreme for me as a child. I know her as a housewife; then she walked around with a dress apron and curlers. On the other hand, she wore silk dresses, platform high heels, had bleach blonde hair, bright red lipstick — kind of like me now (laughs) — and yes, she lived as it suited her." - Larissa grew up in the old mansion in Viehofen.
Das alte Herrenhaus soll bald ein Ärztezentrum werden
„Wenn ihr zur Living City kommt, dann werdet ihr sie erst verlassen, wenn euch die schwarze Limousine in die Goldeggerstraße bringt. Das war der Anspruch, und dazu braucht es halt einiges.“ - Das dritte Gebäude auf dem Gelände der ehemaligen Spitzenfabrik ist die Living City „ein Projekt zum schön alt werden“, gegründet von Peter.
The old mansion will soon become a medical center
"When you come to Living City, you won't leave it until the black limousine takes you to Goldeggerstrasse. That was the aspiration, and it just takes a lot to make that happen."
The third building on the site of the former lace factory is Living City, "a project to grow old beautifully," founded by Peter.
Living City
„Den Hund hast einkaufen schicken können. Das Budesheer hat sich ihn geholt in der Nacht, jaja, die san Streife gegangen damit. Er war der Wahnsinn und ist auch 16 Jahre alt geworden. Und das Reh hat er aufgezogen, die waren immer unzertrennlich.“ - Franz und Christine sind aus der Nähe von Karlstetten in die Living City gezogen. Franz archiviert historische Aufnahmen vom Gelände.
Living City
"You could have sent the dog shopping. The federal army took him in the night, yes yes, they went on patrol with him. He was a terrific dog and lived to be 16 years old. And he raised the deer; they were always inseparable." - Franz and Christine moved to Living City from near Karlstetten. Franz archives historical photographs of the site.
Die Taverne am Johannesplatz
„Ich bin seit 37 Jahren in Österreich. Meine erste Adresse: Viehofen. Glanzstoff war eine super Arbeit für mich. Montag – Freitag, am Wochenende zu Hause, Stempel. Bissl giftig war‘s schon. Das ist die Wahrheit. Ohja, Glanzstoff hat gegiftelt.“ - Sirins Familie ist vor vielen Jahren aus Anatolien nach St. Pölten gekommen. Auf der Karte der Taverne finden sich auch traditionelle türkische Gerichte.
The Tavern at Johannesplatz
"I have been in Austria for 37 years. My first address: Viehofen. Glanzstoff was a super job for me. Monday to Friday, weekends at home, stamping in and out. Sure, it was a bit toxic. That's the truth. Oh yeah; Glanzstoff was polluting poison.”- Sirin's family came to St. Pölten from Anatolia many years ago. The tavern's menu also includes traditional Turkish dishes.
Freiwillige Feuerwehr Viehofen
„Man fühlt sich gut, wenn man weiß, dass man helfen kann. Einmal in der Woche haben wir immer Übung. Mittwochs am Abend, dann noch die Feuerwehr Jugend. Es ist wirklich zeitintensiv, wenn man das ordentlich machen will.“ - Magda ist seit einigen Jahren bei der Viehofner Feuerwehr aktiv und fährt regelmäßig bei Einsätzen mit.
Viehofen Volunteer Fire Department
„It’s a good feeling when you know you can help. We always have practice once a week; Wednesdays in the evening, then firefighting youth. It's really time-consuming if you want to do it properly." - Magda has been active in the Viehofen Fire Department for several years and regularly rides along on calls.
Ehem. Meierhof des Schlosses Viehhofen
„Es gibt Gschichtn, die ich dir lieber nicht erzähl. Wenn ich das Mikro herunten hätt‘, tät ich es eh erzählen.“ - Kevin
Former Meierhof of Viehhofen Castle
"There are stories I'd rather not tell you. If I had the microphone down, I would tell them." - Kevin
Rückseite der Kuppelhalle
„Es gibt in Viehofen sehr schöne Sonnenuntergänge und Sonnenaufgänge. Ab und zu schaut‘s grad da hinten so aus, als würde der Himmel brennen. Ich glaube, man muss bestimmte Dinge entspannt sehen. Unsere Gäste kommen natürlich aus sehr, sehr unterschiedlichen Lebenssituationen heraus und es ist wichtig, die Leute erstmal ankommen zu lassen.“ - Dominik arbeitet seit über 10 Jahren als Betreuer in der Emmausgemeinschaft, – einer sozialpädagogischen Betreuungseinrichtung für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Männer ab 15 Jahren. Nach seinem Zivildienst ist er geblieben.
Back side of the domed hall
"There are very beautiful sunsets and sunrises in Viehofen. Every now and then it looks like the sky back there is on fire. I think you have to be relaxed about certain things. Our guests come, of course, from very, very different life situations and it's important to let people arrive first." - Dominik has worked for more than 10 years as a caregiver at Emmaus Community — a socio-educational care facility for homeless men, and men at risk of homelessness, aged 15 and older. After his civil service, he stayed.
Pottery
"I'm just happy when I get to do something. Then time goes by faster." - Herbert while working on pottery for Christmas
Töpferei
„Mi freut‘s halt, wann irgendwas tuan derf, dann vergeht die Zeit a schneller.“ - Herbert während der Arbeit an den Töpfereien für Weihnachten
Viehofner Seen
„Während der Kriegszeit sind hier Baracken für Zwangsarbeiter gestanden. In der Nachkriegszeit wurde ausgebaggert.“ - Doris ist seit 40 Jahren bei der Wasserrettung der Viehofner Bade-Seen tätig und bildet Nachwuchs aus.
Viehofen’s Lakes
"During the war time, there were barracks for forced laborers here. In the post-war period, it was dredged." - Doris has been with the water rescue team of Viehofen’s Bathing Lakes for 40 years. She trains next-generation rescuers.
Ein bunter Garten
„Das Jugendzentrum gibt es jetzt 26 Jahre. Ich hab vorher in der Drogenberatung gearbeitet und habe ziemlich von Anfang an auch dort Drogenberatung angeboten. Als ganz niederschwelliger Zugang. Die Betreuer haben gesagt: Die Barbara ist da, fragt sie, redets dort, anonym.“ - Barbara, ehemalige Leiterin des Jugendzentrums Steppenwolf
A colorful garden
"The youth center has been around for 26 years now. I previously worked in drug counseling and, pretty much from the beginning, I offered drug counseling there as well. It was a very low-threshold approach. The care workers said: Barbara is there. Ask her. Talk there anonymously." - Barbara, former director of the Steppenwolf Youth Center
Rathaus St. Pölten
„Das Leben war hart, meine Großeltern konnten ja noch kein Wort Deutsch. Es gibt einen Zeitungsartikel, auf dem auch der Bruder von meinem Großvater zu sehen ist, darauf steht: Die ersten Tschuschen in Österreich. Das war kein Schimpfwort, man hat es damals so publiziert. Sie haben gewusst, was auf sie zukommt. Deswegen haben sie auch nicht gemeckert. Sie haben hart gearbeitet und das Geld der Familie in der Türkei geschickt.“ - Ali ist seit 2011 als Kommunalpolitiker aktiv
City Hall St. Pölten
"Life was hard, as my grandparents didn't know a word of German. There’s a newspaper article in which a picture of my grandfather’s brother is printed. Underneath reads: “the first ‘Tschuschen’ in Austria”. It wasn’t a derogatory word; it was published like that at the time. They knew what to expect when they came. That’s why they didn’t complain. They worked hard and sent the money back to the family in Turkey.” - Ali has been active as a local politician since 2011
Johannesplatz
„Es gab ein Judenlager. Sie hat damit rechnen müssen dass sie sie mal erwischen. Aber sie hat gesagt, die haben ihr so leid getan. Das Gewand, sogar einen Kinderwagen, alles was sie übrig gehabt hat - sie hat ja auch nicht so viel gehabt - wenns finster war, hat sie es rübergebracht.“ - Wilhelmine erzählt über ihre Schwiegermutter während der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Wilhelmine lebt heute im selben Haus, in dem ihr Mann aufgewachsen ist und wo sich die erzählte Geschichte zugetragen hat. Seit kurzem befinden sich Erinnerungssteine für Opfer des Holocaust am Johannesplatz. Ich stehe durch Zufall mit meiner Kamera am Johannesplatz, als Wilhelmine aus dem Haus kommt und mir die Steine zeigt, die unter Blättern versteckt sind. In diesem Moment bekomme ich eine WhatsApp Nachricht von Ran aus Israel. Wir stehen vor den Gedenksteinen, die seiner Familie, die am Johannesplatz lebte, gewidmet sind: „How are you? We can talk maybe on Sunday morning.“
Johannesplatz
"There was a Jewish camp. She had to expect that they would catch her at some point. But she said she felt so sorry for them. Cloths, even a baby carriage, everything she had left — she didn't have much either . When it was dark, she brought it over."
— Wilhelmine talks about her mother-in-law during the time of World War II. Wilhelmine lives today in the same house where her husband grew up and where the story told took place. Recently, memorial stones for victims of the Holocaust have been placed on Johannesplatz. Coincidentally, I am standing with my camera at Johannesplatz, when Wilhelmine comes out of the house and shows me the stones, which are hidden under leaves. Just at that moment, I get a WhatsApp message from Ran in Israel. We are standing in front of the memorial stones dedicated to his family who lived at Johannesplatz: "How are you? We can talk maybe on Sunday morning.“
Mit dem VW-Bus von Israel nach Österreich
„I planned it for a long time that I wanted to come to St. Pölten, because my grandfather is from there. Well, he was 17 when he moved to Israel, before WW II. He often used to say: Ah, St. Pölten, where I was born. He went to Israel alone. His sister went to England. But all the other family stayed in Austria, they didn’t leave. They took most oft the family to Auschwitz and other family members to other camps. Just he and his sister survived the war.“ - Rans Kontakt bekomme ich über das Institut für Jüdische Geschichte in Österreich. Im Sommer 2021 übernachet Ran auf seiner ersten Reise nach Österreich mit seinem bunten Bus am Gelände der Synagoge in St. Pölten.
With the VW bus from Israel to Austria
"I planned it for a long time that I wanted to come to St. Pölten, because my grandfather is from there. Well, he was 17 when he moved to Israel, before WW II. He often used to say: Ah, St. Pölten, where I was born. He went to Israel alone. His sister went to England. But all the other family stayed in Austria, they didn't leave. They took most often the family to Auschwitz and other family members to other camps. Just he and his sister survived the war.“
- I got Ran's contact from the Institute for Jewish History in Austria. During his first trip to Austria, in the summer of 2021, Ran spent the night with his colorful bus at the site of the synagogue in St. Pölten.
Vom Klapprad abgestiegen wird fotografiert - und zwar im Garten, im Hinterhof, am Fabriksgelände sowie am Badesteg.
Got off the folding bike to photograph — in the garden, in the backyard, on the factory site, as well as on the bathing pier.
Überhaupt kein Lärm
Ausstellung im Stadtmuseum St. Pölten und Video-Projektion über die Fassade der ehem. Glanzstoff-Fabrik in Viehofen
Idee & Konzept, Fotografien, Kamera, Text: Franzi Kreis,
Transkripte & Making-Of: Daria Vybornova,
Filmkamera: Lukas Beck,
Kommunikation: Christina Weiß,
Musik: Julia Lacherstorfer.
Ein Projekt im Rahmen von ZUKKERstp. Dank an das Stadtmuseum St. Pölten für das historische Archivmaterial
No Commotion at All
Exhibition at the City Museum of St. Pölten and video projection on the facade of the former Glanzstoff factory in Viehofen
Idea & concept, photographs, camera, text: Franzi Kreis
Transcripts & making-of: Daria Vybornova
Film camera: Lukas Beck
Communication: Christina Weiß
Music: Julia Lacherstorfer
A project within the framework of ZUKKERstp.
Thanks to the St. Pölten City Museum for the historical archive material.